Der Familienname Horneffer

von August Horneffer

Der Name Horneffer kommt selten, aber in fast allen Teilen Deutschlands vor. Im 16. und 17. Jahrhundert gab es einige gelehrte Herren dieses Namens, der unzweifelhaft mit dem Gebäck Hornaf zusammenhängt, das seit dem 13. Jahrhundert bis zum heutigen Tag zu bestimmten Festen als Weih- und Gebildbrot nachweisbar ist. Der Hersteller des Hornaf war der Homaffer oder Horneffer.

Aber woher kommt nun der Ausdruck Hornaf? Man denkt da zunächst an einen gehörnten Affen. Derartige Mischgeschöpfe waren im Mittelalter sehr beliebt, besonders auch als Wappentiere und Hausverzierungen. Indessen halte ich nach weiteren Nachforschungen eine andere Deutung für wahrscheinlicher. Das Wort Hornaf ist vermutlich eine aus Missverständnis und Unachtsamkeit entstandene Umbildung des Wortes Hornacht. Horn-Acht oder Hornachter lautete der ursprüngliche Name jenes kirchlich-rituellen Gebäcks, das wiederum auf eine ältere germanische Weihegabe zurückweist.

Das Zeichen für die Zahl acht, besonders in horizontaler Form, also zwei miteinander verbundene Kreise, gehört zu den häufigsten Ornamenten, die wir an germanischen Giebeln und Simsen, aber auch in vielen anderen Schmuck- und Kultverzierungen vorfinden. Die älteste Bedeutung dieser zwei liegenden oder aufeinander stehenden Kreise kann niemand mehr wissen. Es kann zwei Sonnen bedeuten, die Sonne im Aufgang und die Sonne im Untergang. Indem der Urmensch diese auffallendsten und entscheidenden Augenblicke am Himmel und auch für das Leben auf der Erde erlebt, wird er zugleich der rastlosen Bewegung des kreisenden Alls inne. Diese heilige Acht (die Ogdoas der hellenistischen Mystik) sucht der Mensch nun auch in der Natur auf. Er findet sie, wenn er zwei sehr stark gebogene Tierhörner nebeneinander hält. Dann haben wir die Horn-Acht. Tiere, Widder oder Rinder, mit so bedeutsam gestalteten Hörnern empfahlen sich als Opfer oder Weihegaben an die Götter.

An Stelle der wirklichen Tiere wurden vielfach Gebildbrote, also Gebäcke von der gleichen Form dargebracht. Oft bildete man nur diejenigen Teile oder Merkmale nach, auf die es besonders anzukommen schien, also in diesem Falle die Hörner. Allverbreitet ist noch heutzutage das Hörnchen, ein halbmondförmig gebogenes Gebäck. Man braucht es nur noch stärker zu krümmen und zwei davon nebeneinander zu legen, so hat man die Hornacht. Dass diese Deutung, für die sich mancherlei wissenschaftliche Belege anführen lassen, nicht willkürlich ist, ersieht man daraus, dass im Mittelalter auch die ausgesparten Rundungen, die bei den Glasfenstern, den Butzenscheiben, entstehen, nachweisbar den Namen Hornaff oder Hornachter hatten. Mit Glasfenstern hat aber ein gehörnter Affe wirklich nichts zu tun; dagegen achtförmige Teile aus Blei oder Horn gibt es in der Tat bei den Werken dieses einst so hochgelobten Kunsthandwerks der Glasmacherei. Endlich spricht noch ein weiterer Umstand dafür, dass der ursprüngliche Name Hornacht nicht Hornaff gelautet hat. Von dem Worte Hornaff sind nur wenig Namen abgeleitet, ich kenne da eigentlich bloß meinen eigenen. Dagegen haben wir eine Fülle von Namen, die von Hornacht stammen. Ich erwähne hier bloß: Hornacker, Hornig, Harnack.

Aus August Horneffers ungedruckter Autobiographie 1946 Band I: Vor der großen Flut. Erlebtes aus den Jahren 1890 bis 1914. vgl. AH Band I